„Mehltau“ im Theaterbrett

Von Stefan Lessmann/ Shitstorm, Candystorm, Likes und Daumen hoch – wir bewegen uns in einer digitalen (Gefühls)Welt, in der einem ein wohliger Schauer erfasst, wenn man durch den Klick eines anderen ein Herz bekommt. Soweit die aktuelle Basis für das Stück „Mehltau“, das am 11. 1. 2018 im Theaterbrett Premiere feierte. Es ist das neue Werk von „playground“ – einer Theatergruppe um den Regisseur Florian Drexler und den Dramaturgen Patrick Trotter.

In „Mehltau“ wird eine düstere Zukunftsvision entworfen, in der die Allgegenwärtigkeit der digitalen Sphäre noch gesteigert wird: Um online zu sein ist kein Gerät mehr nötig, sondern kann mental mittels Meditation erfolgen. Gemütlich am Boden sitzen, Augen zu, und schon ist man ein „Verfolger“, der den aktiven Helden von Instagram, Snapchat, Facebook, Twitter und Co. beim schönen Leben zuschaut, dabei selbst aber passiv bleibt – denn man sitzt ja nur herum.

Scheinbare Selbstverwirklichung oder Beziehung

In einer Dreiecksbeziehung und mit Kind werden die Folgen dieser sozial-emotionalen Schieflage abgehandelt: Elias (Kilian Klapper) war Spieler und ist jetzt Aussteiger, der in Ruhe am Land sein Getreide anbauen möchte. Doch seine Freundin Anna (Henrietta Rauth) will auch endlich etwas erleben und sich nicht nur um ihren Sohn Jan (Fela Nossek) kümmern. Sie möchte Spielerin werden, trotz der Warnungen ihres Freundes. Die „Königin der Herzen“ namens Irina (schön verrückt: Julia Prock-Schauer) führt Anna in die digitale Welt ein. Doch bald überfallen Anna Zweifel: Vielleicht ist das Spielen gar nicht so toll? Jede noch so kleine Aktivität wird von den Verfolgern gesehen und beurteilt – und Annas Suche nach Herzen fühlt sich schnell hohl und leer an…

Digitale Abhängigkeit

Florian Drexler und Patrick Trotter, beide für den Text verantwortlich, haben konstruktiv eine eigene Dystopie erarbeitet. Das Ganze wird musikalisch sehr gelungen mit E-Gitarre und Gesang von Valentin Eybl und Erich Konlechner live umrahmt. Licht (Sabine Wiesenbauer) und Bühne (Sarah Sternat) werden gut genutzt und der Ablauf ist schlüssig. Bleibt nur die Frage, warum die SchauspielerInnen in Felle und Badezimmerteppiche gehüllt sind. Diese steinzeitliche Referenzebene steht der gezeigten, zukunftsgewandten Dystopie entgegen. Das ist kontrastreich – aber auch sperrig.

Inhaltlich birgt „Mehltau“ Diskussionsstoff: Der Name bezeichnet Pilzbefall bei Pflanzen – und auch Annas soziale Kontakte sind durch ihren Eintritt in die Welt der Spieler ‚kontaminiert‘. Doch ist nicht die Abhängigkeit von Sozialen Medien die andere Seite der digitalen Medaille, die Informationsfreiheit und Vernetzung, Gedankenaustausch und unendliche Recherchemöglichkeiten bietet?

Text (c) Stefan Lessmann

Foto (c) playground

 

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